Was ist Angst?
Angstzustände sind anstrengend! Es handelt sich um einen Zustand erhöhter Wachsamkeit aufgrund von akutem Stress. Vielleicht hast du schon einmal von der Reaktion „Kampf oder Flucht“ gehört. Wir nehmen eine Bedrohung wahr und dadurch werden plötzlich eine Vielzahl von chemischen Stoffen und Hormonen ausgeschüttet, die uns entweder darauf vorbereiten, zu kämpfen oder zu fliehen. Diese Reaktion wird von unserem autonomen Nervensystem gesteuert, das heißt, wir haben keine bewusste Kontrolle darüber. Die Funktion dieses Mechanismus ist es, unser Überleben zu sichern und kann dazu beitragen, dass wir bei Wettkämpfen, Prüfungen und in Stresssituationen gute Leistungen erbringen. Angst kann also etwas Gutes sein!
Das Problem bei Angstzuständen ist, dass das, was als Bedrohung wahrgenommen wird, in der Regel völlig harmlos oder maßlos übertrieben sein kann. Das Ergebnis sind Herzrasen, schnelles Atmen, Zittern und ein Gefühl von Panik in völlig unangemessenen Situationen. Eine Panikattacke kann durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst werden, z. B. im Supermarkt oder wenn das Telefon klingelt, aber sie kann auch aus heiterem Himmel kommen. Während manche Angstzustände in Form von plötzlichen akuten Anfällen auftreten, leben viele Menschen mit einem konstanteren Gefühl der Sorge und des Selbstzweifels, das als generalisierte Angststörung bezeichnet wird. Ängste können dazu führen, dass Menschen ihr Leben stark einschränken, um potenziell angstauslösende Situationen zu vermeiden. Sie ziehen sich oft von ihren Mitmenschen zurück und haben Schwierigkeiten, ihr Haus zu verlassen. Oft können Angst und Depression auch zusammen auftreten.
„Laufen kann einen großen Beitrag zur Verbesserung der generalisierten Angststörung leisten, insbesondere im Rahmen einer ganzheitlichen Behandlung.“, sagt der Klinische Psychologe und Psychotherapeut Horst von Bohlen. „Bei akuten Phobien und Panikattacken empfehle ich, nicht alleine zu laufen, sondern immer in Begleitung von jemandem, der die Situation kennt und weiß, wie man sich im Falle einer akuten Attacke verhalten sollte.“
Wie Laufen hilft
1. Chemische Veränderungen im Gehirn. Wenn du Sport machst, setzt das Gehirn eine Reihe von Wohlfühlchemikalien und -hormonen frei, die während des Laufens und noch einige Zeit danach ein Gefühl des Wohlbefindens vermitteln. Die bekanntesten Stoffe sind Endorphine, die sich an dieselben Gehirnrezeptoren binden wie die Droge Morphin. Das führt zu Glücksgefühlen und einer Verringerung des Schmerzempfindens. Andere, weniger bekannte Stoffe sind die Endocannabinoide, cannabisähnliche Chemikalien im Körper, die entspannend und beruhigend wirken. Längerer, anstrengender Sport ist besonders wirksam, um die Freisetzung der natürlichen Wohlfühlchemikalien unseres Körpers auszulösen, und regelmäßiger Sport sorgt für eine wiederholte Dosis aus der Natur.
2. Die Gehirnaktivität verschiebt sich. Untersuchungen aus Köln haben gezeigt, dass bei Ausdauersportarten die Aktivität im präfrontalen Kortex des Gehirns abnimmt. In diesem Teil des Gehirns werden emotionale Reize in bewusste Gefühle umgewandelt, so dass längere Läufe dazu beitragen können, unsere Gedanken zu beruhigen. Gleichzeitig ist die Aktivität des motorischen Kortex, mit dem wir uns bewegen, beim Laufen erhöht. Dieser Teil des Gehirns spielt eine Rolle bei der Planung und beim logischen Denken, was zum Teil erklärt, warum wir beim Laufen Probleme lösen und Perspektiven schaffen können. Laufen wirkt wie eine Reset-Taste für unser Gehirn.
3. Selbstvertrauen aufbauen. Laufen ist eine perfekte Aktivität, um sich Herausforderungen zu stellen. Wenn man sich ein Ziel setzt, vor dem man sich ein wenig fürchtet, und wenn man es schafft, stärkt das das Selbstvertrauen. Es ist wichtig, dass die Ziele realistisch und erreichbar sind, denn ein Misserfolg kann das Selbstvertrauen stark beeinträchtigen und zurückwerfen. Wenn man sich beim Laufen Herausforderungen stellt, ist man eher bereit, sich seinen Ängsten in anderen Bereichen des Lebens zu stellen.
4. Wachsendes Selbstwertgefühl. Ängste gehen oft mit einem schlechten Selbstbild Hand in Hand. Laufen kann helfen, die wahre Kraft des Körpers zu entdecken. Wenn man seine Fähigkeiten zu schätzen lernt, kann man eine gute Beziehung zu seinem Körper entwickeln und anfangen, ihm zu vertrauen. Wenn du fitter bist und während des Laufens Herzrasen und schnelles Atmen erlebst, kann dir das auch dabei helfen, diese Symptome zu tolerieren und zu bewältigen, wenn sie während einer Panikattacke auftreten.
5. Mehr Verbundenheit. Die Verbundenheit mit der Natur kann zur Verbesserung der psychischen Gesundheit beitragen, und das kannst du durch das Laufen im Freien erreichen. Doch die Verbindung mit anderen Menschen ist ebenfalls wichtig für die mentale Gesundheit. Egal, du mit einer Freundin oder einem Laufclub unterwegs bist – es ist wichtig, andere zu haben, die einen unterstützen. Es kann sein, dass du beim Laufen über alles Mögliche redest, nur nicht über deine Ängste – und das ist eine super Ablenkung. Oder du kannst deine Gefühle mit anderen teilen (und oft feststellen, dass du damit nicht alleine bist). Beides kann helfen! Dadurch, dass du weißt, dass du nicht alleine bist, kannst du dich sicher fühlen.
Und hier sind 8 Tipps für Läuferinnen mit Angst:
1. Sei ehrlich zu dir selbst – Nimm dir die Zeit, darüber nachzudenken, wie du dich fühlst, warum du laufen willst und was dich davon abhält. Wenn herausfindest, was dich motiviert, schaffst du es, länger dranzubleiben. Fühlst du dich dadurch fitter, ruhiger, hast du Freude daran? Mache eine Liste und schau sie dir immer wieder an, wenn die Motivation nachlässt. Finde dann heraus, was die größten Hindernisse sind. Das hilft dir, herauszufinden, was du tun kannst, um sie zu überwinden. Wenn es die Angst ist, allein loszuziehen, dann ist es an der Zeit, eine Laufpartnerin zu finden. Wenn du Angst vor einer Panikattacke hast, kannst du mit Hilfe von Therapeut*innen schrittweise ins Laufen einsteigen, damit du dich sicherer fühlst. Eine ganzheitliche Therapie mit Psychotherapie und Übungseinheiten ist die ideale Wahl. Sei ehrlich zu dir selbst und stelle dich deiner Probleme. Wenn du die Lösungen nicht allein finden kannst, bitte eine Freundin um Hilfe.
2. Setze dir Ziele. Es ist wichtig, dass du dir realistische und erreichbare Ziele setzt. Du musst ein Erfolgserlebnis haben, um ein positives Gefühl durch das Laufen zu erlangen. Vielleicht ist es dein Ziel, einen 5 km-Lauf oder einen Marathon zu absolvieren, aber das musst du in kleine Schritte unterteilen, die man täglich in den Kalender eintragen kann. Das kann damit beginnen, dass du erst zwei Schritte von der Haustür weggehst, dann fünf und dann zehn. Es spielt keine Rolle, wie weit, jeder Fortschritt ist gut.
3. Denke nicht zu viel nach. Wenn du deinem Gehirn zu viel Zeit lässt, wird es dir das Laufen ausreden. Du wirst eine Liste von Gründen aufstellen, warum es für dich am besten ist, nicht zu laufen. Die Gründe werden sich zu diesem Zeitpunkt stichhaltig und vertretbar anfühlen. Finde daher ein das Zeitfenster, in dem es dir am leichtesten fällt. Ein Tipp ist, gleich in der Früh laufen zu gehen. Bereite deine Laufsachen am Vorabend vor, ziehe sie an und gehe aus der Tür, bevor dein Gehirn Zeit hatte, sich zu aktivieren. Mach einfach den ersten Schritt. Sag dir selbst, dass du nur fünf Minuten laufen wirst, um zu sehen, wie du dich fühlst. Du wirst überrascht sein, dass du, sobald du draußen bist, in der Lage fühlst, ein wenig weiterzugehen, als du erwartet hast.
4. Lenke dich ab. Bei Angstzuständen können einfache Gedanken schnell zu einem Dominoeffekt führen und außer Kontrolle geraten. Warum versuchst du nicht, während des Laufens Musik, einen Podcast oder ein Hörbuch zu hören? Natürlich solltest du dich vergewissern, dass es sicher ist, und vielleicht eine ruhigere, verkehrsfreie Strecke wählen. du könntest entspannende Musik hören, um deine Atmung zu beruhigen, oder einen lustigen Podcast, der dich zum Lachen bringt. Experimentiere und finde heraus, was dir gut tut.
5. Laufe in Gesellschaft. Das Laufen mit Freund*innen bietet zahlreiche Vorteile. Wenn man sich verabredet, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass man tatsächlich laufen geht. Wenn du jemanden an deiner Seite hast, kannst du dich sicherer und entspannter fühlen. Es kann sein, dass du dich in einer Gruppe wohler fühlst als mit einer einzelnen Person; jeder Mensch ist anders. Suche jemanden aus, bei dem du ganz du selbst sein kannst. Es ist immer einfacher, über die eigenen Gefühle zu sprechen, wenn du in der Natur bist. Vielleicht möchtest du dich aber ablenken und über alles andere reden, außer über die Angst, und das ist auch in Ordnung.
6. Wiederhole positive Worte. Sei dein eigenes Cheerleader. Vermeide es, dich selbst zu kritisieren. Mache dir selbst immer Komplimente und feiere, was du erreicht hast, auch wenn es nur ein kleiner Erfolg ist. Stell dir vor, du sprichst mit einer Freundin und genau so sprichst du dann mit dir selbst. Ersetze „Du bist mies, du bist so langsam, du schaffst das nicht“ durch „Du machst das toll, schau, wie weit du gekommen bist, du schaffst das“. Verdränge negativen Gedanken und ersetze sie durch positive Selbstgespräche, das kann viel bewirken.
7. Übe achtsames Laufen. Achtsam zu laufen und in der Gegenwart zu sein, kann helfen, einen Lauf zu genießen, es kann beruhigen, wenn die Gedanken hektisch sind, und es kann als eine Form der Meditation dienen. Informiere dich über veschiedene Techniken, aber für den Anfang solltest du mit allen Sinnen laufen. Nimm dir wirklich Zeit, um wahrzunehmen, was dich umgibt, und konzentriere dich auf das, was du beim Laufen sehen, hören und fühlen kannst. Das friedliche Gefühl wird dich noch einige Zeit begleiten, wenn du nach Hause kommst.
8. Mach Yoga. Yoga beinhaltet tolle Dehnungsübung für Läuferinnen und stärkt das Vertrauen in den eigenen Körper. Aber es kann noch viel mehr als das: Die Atemtechniken werden dir beim Laufen gut tun und helfen, die Atmung zu kontrollieren, wenn sie durch die Angst flach und schnell wird. Wenn du dich in einem Kurs nicht wohlfühlst, kannst du diese Techniken mit Hilfe von Online-Videos auch zu Hause erlernen.
Gehe die Dinge in deinem eigenen Tempo an. Feiere alle deine Erfolge und denk daran, dass der Weg immer viele Höhen und Tiefen hat. Mach dich also nicht fertig, wenn du einen schlechten Tag hast und dein Ziel nicht erreichst. Aus einem Misserfolg kann man immer etwas lernen und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man beim nächsten Mal Erfolg hat.
Dr. Juliet McGrattan